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Mein Antrag an die LDK der Grünen Bayern: Willkommen Arbeitskräfte! – Bundesgesetze zur Arbeits- und Fachkräfteeinwanderung konsequent umsetzen und Willkommenskultur entwickeln

Bayern hat ein enormes Arbeits- und Fachkräfteproblem. Ob in der Pflege, in
Kitas, im Handwerk, im Transport oder im Restaurant – das fehlende Personal
macht sich schon heute in vielen Berufen bemerkbar. Laut einer Untersuchung des
Instituts der deutschen Wirtschaft mangelte es schon 2022 an 160.000
qualifizierten Arbeitskräften in Bayern – Tendenz steigend. Der Personalmangel
hemmt das wirtschaftliche Wachstum, die Innovationskraft und die
Wettbewerbsfähigkeit. Allein 2022 verursachte der Arbeits- und Fachkräftemangel
einen Wertschöpfungsverlust von 17 Milliarden Euro in Bayern.[1]

Stark vom Personalmangel betroffen ist auch die Tourismusbranche. Es fehlen
Arbeits- und Fachkräfte im Wirtshaus, im Hotel und im Freizeitpark. Allein in
der Gastronomie und Hotellerie sind aktuell etwa 15.000 Stellen in Bayern
unbesetzt. Es fehlt an Köch*innen, Hotelfachleuten und Servicekräften. Das ist
dramatisch für das Reiseland Bayern, das mit den mit Abstand am meisten
Übernachtungen in Deutschland das beliebteste Urlaubsland ist. Besonders stark
unter dem Arbeits- und Fachkräftemangel leidet vor allem der ländlich geprägte
Teil Nord- und Ostbayerns. Der demografische Wandel ist dort stärker ausgeprägt
als in den urbanen Regionen. Und die vakanten Stellen können nicht so schnell
nachbesetzt werden. In der Folge fehlen besonders viele Arbeitskräfte in den
Regionen rund um Kronach, Neustadt a.d. Waldnaab oder Tirschenreuth.[2]

Der Bedarf an Arbeits- und Fachkräften kann nicht rein durch inländische
Potenziale gedeckt werden, deshalb sind wir auf Arbeits- und Fachkräfte aus dem
Ausland angewiesen, um unseren Wohlstand auch in Zukunft zu sichern. Laut
Berechnungen der Agentur für Arbeit liegt der Bedarf an ausländischen Arbeits-
und Fachkräften bundesweit bei jährlich etwa 400.000 Personen. Wenn die Söder-
Regierung sich bei der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte ausschließlich
auf qualifizierte und hochqualifizierte Fachkräfte beschränken möchte und diese
auch nur dann in Erwägung zieht, „wenn Lücken kurzfristig geschlossen werden
müssen und gleichzeitig keine entsprechend qualifizierten heimischen
Arbeitskräfte zur Verfügung stehen“[3], dann hat sie nicht verstanden, wie
existentiell ausländische Arbeits- und Fachkräfte für die Sicherung unseres
Wohlstands sind.

Bundestag hat Weg für ausländische Arbeits- und Fachkräfte geebnet

Der Bundestag hat entscheidende Weichen gestellt, um das Potential ausländischer
Arbeits- und Fachkräfte anzuheben. Mit der Weiterentwicklung des
Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, mit dem Chancenaufenthaltsrecht und mit dem
Staatsangehörigkeitsrecht haben wir wichtige Bausteine einer modernen
Einwanderungs- und Integrationspolitik geschaffen. Das
Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert die Einwanderung zur Ausbildung und
zum Arbeiten enorm: Der Zugang in den deutschen Arbeitsmarkt wird vereinfacht
und entbürokratisiert, die berufliche Praxis des ausländischen Personals wird in
den Fokus gerückt und ein transparentes Punktesystem eingeführt.

Das Chancenaufenthaltsrecht bietet berufliche Perspektiven für mehr als 130.000
Geduldete, die zum Stichtag 31.10.2022 seit mind. fünf Jahren in Deutschland
leben. Ihnen ermöglichen wir, innerhalb von 18 Monaten die Voraussetzungen zu
erfüllen, um dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Dabei haben wir Grüne
im Bundestag einen echten Meilenstein erreicht: Wir ermöglichen endlich den sog.
Spurwechsel! Damit geben wir Geflüchteten, die kein Asyl erhalten, aber seit
Jahren bei uns leben, die Chance, dauerhaft bei uns zu bleiben und bereiten
ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt und in unsere Gesellschaft.

Und das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist entscheidend, um sicherzustellen,
dass sich dringend benötigte Arbeitskräfte für Deutschland entscheiden und
langfristig hierbleiben. Deswegen haben wir die Einbürgerungsfristen verkürzt
und die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglicht. Die Perspektive, deutsche*r
Staatsbürger*in zu werden und mitentscheiden zu dürfen, stärkt Deutschlands
Stellung als Einwanderungsland, verbessert die Integration und sorgt für einen
besseren sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Die Gesetzgebung des aktuellen Bundestages zeigt schon jetzt erste Erfolge und
birgt noch großes Potential: Das Chancenaufenthaltsrecht hat bisher etwa 60.000
Menschen in Deutschland ein dauerhaftes Bleiberecht beschert, davon etwa 7.500
in Bayern. Gleichzeitig ist klar: Ihr volles Potential kann die Gesetzgebung des
Bundestages nur entfalten, wenn auch die Landesregierungen mitspielen.

Bündnis 90/Die Grünen fordern:

I. Bessere Aufnahme ausländischer Arbeits- und Fachkräfte

  1. Willkommenskultur in Bayern verbessern

Bayern steht im Wettbewerb um ausländische Arbeits- und Fachkräfte. Zu häufig
verliert Bayern aber diesen Wettbewerb. Einer der Gründe liegt in den
Diskriminierungserfahrungen, die ausländischen Arbeits- und Fachkräfte noch
immer erleben, ob bei der Wohnungssuche oder im Kontakt mit Ausländerbehörden.
Diese Erfahrungen sind laut einer OECD-Untersuchung auch einer der Hauptgründe,
warum nach ihrer Einwanderung deutlich weniger ausländischen Arbeits- und
Fachkräfte davon überzeugt sind, dass Deutschland ein Interesse an ausländischen
Arbeits- und Fachkräften hat als vor der Einwanderung.[4] Damit sich
ausländische Arbeits- und Fachkräfte in unserem Bundesland wohlfühlen, einen
Platz in unserer Gesellschaft finden und sich letztlich für Bayern als neue
Heimat entscheiden, sollten wir sie mit offenen Armen empfangen. Wir brauchen
eine ausgeprägte Willkommenskultur in Bayern. Statt von Integrationsobergrenzen
zu schwadronieren und Angst vor der Zuwanderung in unsere Sozialsysteme zu
schüren, muss die bayerische Staatsregierung gemeinsam mit den
gesellschaftlichen Akteuren eine verbesserte Willkommenskultur voranbringen.
Dazu gehört nicht nur, jeden Menschen mit seinen Bedürfnissen und Erfahrungen
wertschätzend und respektvoll zu begegnen, sondern auch, Integration nicht als
Einbahnstraße zu verstehen.

  1. Vereinfachter Zugang zur Anerkennung ausländischer Berufs- und
    Studienabschlüsse

Für ausländische Arbeits- und Fachkräfte, die sich ihre Berufs- oder
Studienabschlüsse in Deutschland anerkennen lassen möchte, sorgen die vielen
Anlaufstellen häufig für Verwirrung und Unsicherheit. In Bayern gibt es
berufsabhängig zahlreiche verschiedene Anlaufstellen für die Anerkennung
ausländischer Qualifikationen. So ist z.B. für akademische Heilberufe wie
Ärzt*innen und Apotheker*innen die Regierung von Oberbayern und die Regierung
von Unterfranken zuständig, für Pflegefachleute das Bayerische Landesamt für
Pflege, für Handwerksberufe die Handwerkskammern und für Sozial- und
Kindheitspädagog*innen das Zentrum Bayern für Familie und Soziales (ZBFS),
Region Unterfranken.[5] Um die Orientierung zu verbessern ist eine zentrale
Erstanlaufstelle notwendig. Zudem müssen die Prozesse effizienter gestaltet,
klare Strukturen etabliert und benutzerfreundliche, leicht verständliche
digitale Tools eingeführt werden. Auch Unternehmen, die nach ausländischen
Arbeits- und Fachkräften suchen, benötigen eine unkomplizierte Unterstützung
durch digitale Verfahren.

  1. Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Ob eine ausländische Arbeits- und Fachkraft sich für Bayern entscheidet, hängt
auch davon ab, ob sie eine bezahlbare Wohnung in Nähe des Arbeitsortes findet.
Schon heute fehlt günstiger Wohnraum vor allen in bayerischen Ballungsräumen.
Entsprechend stark sind Miet- und Immobilienpreise in den letzten Jahren
gestiegen. In der Folge konkurrieren die ausländischen Arbeits- und Fachkräfte
mit den Einheimischen um den wenigen, bezahlbaren Wohnraum. In vielen Fällen
werden die migrantischen Arbeitskräfte diesen Wettbewerb wahrscheinlich
verlieren. Deswegen muss Bayern seine Anstrengungen für bezahlbaren Wohnraum
drastisch erhöhen: Zum einen braucht es eine passgenaue und gut ausgestattete
staatliche Wohnraumförderung und mehr genossenschaftliches Wohnen. Zum anderen
wollen wir die Kommunen bekräftigen, wieder stärker selbst als Akteur auf dem
Wohnungsmarkt aktiv zu werden. Auch wollen wir Unternehmen beraten und
unterstützen, die Mitarbeiterwohnraum schaffen wollen. Gleichzeitig müssen wir
ausländische Arbeits- und Fachkräfte gezielt beraten und Ihnen eine
Hilfestellung für die Wohnungssuche bieten.

  1. Kinderbetreuungsplätze ausbauen

Nicht nur einheimische Familien und Arbeitskräfte sind Kinderbetreuungsplätze
die Grundvoraussetzung für eine Erwerbstätigkeit. Damit Bayern für ausländische
Arbeits- und Fachkräfte attraktiv wird, brauchen wir ausreichend
Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Im bundesweiten Vergleich der Angebote zur
Ganztagsbetreuung von Grundschülern und der Nachfrage gehört Bayern zu den
Schlusslichtern. Mit einer Betreuungslücke von 23 Prozent übersteigt die
Nachfrage das Angebot bei weitem. Auch bei den Betreuungsplätzen für Kinder
unter 3 Jahren sieht es nicht besser aus: Mit einer Betreuungslücke von knapp 12
Prozent liegt Bayern im bundesweiten Mittelfeld.[6] Auch hier ist die bayerische
Staatsregierung gefragt. Sie muss die Kommunen tatkräftig beim Ausbau
unterstützen.

II. Schnellere und bessere Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten

  1. Positive Behördenkultur entfalten und Personal aufstocken

Anders als die Behörden anderer Bundesländer nutzen bayerische Behörden, allen
voran die Ausländerbehörden, zu selten den Ermessensspielraum, der ihnen
zusteht. Ähnlich wie in anderen Bundesländern müssen wir in Bayern eine positive
Behördenkultur entfalten, die Migrant*innen gegenüber wohlwollend eingestellt
sind und die Regelungen im Sinne der Migrant*innen auslegen.

Entscheidend ist auch, dass die Behörden proaktiv mit den Migrant*innen
kommunizieren und diese Vorgehensweise landesweit einheitlich praktiziert wird.
Anders als in Bayern haben die Behörden in Baden-Württemberg, Berlin,
Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen schon Monate vor dem Inkrafttreten des
Chancenaufenthaltsrecht die Geduldeten proaktiv angeschrieben und über ihre
Möglichkeiten informiert. Bayern hingegen hat auf eine landesweit einheitliche
Vorgehensweise verzichtet. Das Ergebnis: Manche Landratsämter und kreisfreie
Städte haben die infrage kommenden Migrant*innen proaktiv schriftlich
informiert, andere haben sie bei Terminen mündlich informiert und wiederum
andere haben den Geduldeten keinerlei Informationen zukommen lassen.

Um eine positive Behördenkultur in Bayern zu entfalten, braucht es einerseits
ausreichend Personal. Das fehlt in Bayern. Die bayerische Staatsregierung muss
die finanziellen Mittel erhöhen, damit das Personal aufgestockt werden kann.
Andererseits braucht es einen Mentalitätswechsel in den bayerischen Behörden
gemäß dem Motto: Willkommen Arbeitskräfte! Das bayerische Innenministerium
sollte diesen Mentalitätswechsel in ihren nachgeordneten Behörden einleiten und
positiv begleiten.

  1. Angebote für Deutsch- und Integrationskurse aufstocken und Kommunen bei
    Integrationskonzepten unterstützen

Deutsch gilt nicht nur als eine schwer zu erlernende Sprache, sondern auch als
unverzichtbar, um vor Ort im Alltag und im Berufsleben erfolgreich
zurechtzukommen. Umso wichtiger ist es, Migrant*innen durch ein sehr gutes
Angebot an Deutsch- und Integrationskursen zu unterstützen. Die Realität sieht
in Bayern aber anders aus: Die Angebote für Deutsch- und Integrationskurse
können bei weitem nicht mit der Nachfrage mithalten. Die Folge: Lange
Wartelisten und verzögerte Integration. Verheerend ist die Situation vor allem
für Geduldete, wenn sie die Frist zum Nachweis von Sprachkenntnissen im Zuge des
Chancenaufenthaltsgesetz wegen der langen Warteliste nicht einhalten können –
unverschuldet! Wir fordern die bayerische Staatsregierung dazu auf, die
finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Angebote für Deutsch-
und Integrationskurse aufgestockt werden können.

Auch bei Integrationskonzepten weist Bayern enorme Lücken auf und hinken im
Ländervergleich hinterher. Während bundesweit bis 2021 mehr als die Hälfte der
Landkreise und kreisfreien Städte ein Integrationskonzept oder ein inhaltlich
gleichwertiges Papier erarbeitet hat, waren es in Bayern gerade mal knapp ein
Viertel aller Landkreise und kreisfreien Städte. Damit belegt bundesweit den
letzten Platz.[7] Dabei können gezielte Gesetze und Förderungen auf Landesebene
die Lokalpolitik unterstützen, um Konzepte zur besseren Integration und Teilhabe
zu erstellen. Die bayerische Staatsregierung hat bislang aber keine Anreize oder
gar Verpflichtungen geschaffen, um für mehr Integrationskonzepte zu sorgen. Das
muss die Söder-Regierung schnellstmöglich ändern!

Integration ist eine Querschnittsaufgabe auf kommunaler Ebene. Deswegen ist es
notwendig, die Integrationsbedarfe und -angebote vor Ort systematisch zu
erfassen, diese Informationen transparent und leicht zugänglich zur Verfügung zu
stellen und auch alle integrationsrelevanten Akteure zu vernetzen, insbesondere
auf Ebene der kommunalen Gremien, Ämter und Einrichtungen, aber auch die freien
Träger von Integrationsangeboten inklusive der Migrantenselbstorganisationen.

Nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen wollen wir in Bayern künftig ein
Netzwerk an Kommunalen Integrationszentren errichten. Damit wollen wir
leistungsfähige Strukturen für die Integrationsarbeit auf kommunaler Ebene
schaffen und stärken. Zudem wollen wir die Förderung der hauptamtlichen
Integrationslots*innen weiter ausbauen.

[1] Vgl. https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/aus-den-
ausschuessen/sozialausschuss-
1/#:~:text=Demzufolge%20mangelte%20es%20schon%202022,Wertsch%C3%B6pfungsverlust%-
20von%2017%20Milliarden%20Euro

[2] Vgl. https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/wo-in-bayern-die-meisten-
arbeitskraefte-fehlen-werden,TmLO7e7

[5] Vgl. https://www.stmas.bayern.de/berufsbildung/anerkennung-
ausland/#:~:text=In%20Bayern%20besteht%20seit%20dem,Inhalt%20und%20Dauer%20der%2-
0Ausbildung und https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/index.php

[6] Vgl. https://www.sueddeutsche.de/bayern/betreuungsbedarf-studie-bayern-bei-
ganztagsangeboten-nur-schlusslicht-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230713-99-
384630

[7] Vgl. https://www.berlin-
institut.org/fileadmin/Redaktion/BI_Teilhabe23_Online_230918.pdf

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