Persönliche Erklärung zum Sicherheitspaket
Persönliche Erklärung nach §31 GO BT zur zweiten und dritten Beratung des von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung (20/12806) sowie zur zweiten und dritten Beratung des von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems (20/12805) - beide in der Ausschussfassung
In einer Zeit, in der der internationale Terrorismus immer neue Wege geht, gezielt auf eine Radikalisierung im digitalen Raum setzt und dabei auf den Nährboden gesellschaftlicher Überforderungen und Belastungen trifft, ist ein hundertprozentiger Schutz vor terroristischer Gewalt nahezu unmöglich. Insbesondere radikalisierte Einzeltäter:innen, die nicht in ein Terrornetzwerk eingebunden sind, sind im Vorfeld schwer bis unmöglich zu identifizieren.
Egal, wie umfassend Befugnisse für unsere Sicherheitsbehörden ausgeweitet werden: Als freiheitlich-demokratische Gesellschaft können wir einen Terrorakt nicht mit abschließender Sicherheit ausschließen. Aber wir können deutlich mehr dafür tun, resilient mit der terroristischen Bedrohung umzugehen, sodass es dem Terror erschwert wird, seine Ziele zu erreichen. An diesem Punkt sind wir jedoch noch nicht angekommen. Nach dem Anschlag in Solingen folgten ein Überbietungswettbewerb menschenfeindlicher Forderungen, eine großflächige Abwertung unbeteiligter, ohnehin schon marginalisierter Gruppen sowie panikgetriebene, scheinbar einfache Lösungen, die Terrorismus faktenbefreit zu einem Migrationsproblem umdeuteten. Statt Besonnenheit zu wahren und kluge, durchdachte und vor allem effektive Maßnahmen zu entwickeln, die zu gesellschaftlicher Resilienz beitragen könnten, folgte leider eine populistisch aufgeladene Stimmungslage und in unseriöser Kürze ein Maßnahmenpaket, ohne ausreichende Kenntnis über die Hintergründe der Tat in Solingen, das aus bürger- und asylrechtlicher Perspektive erhebliche und tiefgreifende Auswirkungen gehabt hätte.
Ich unterstütze das Ziel, uns künftig besser gegen Terrorismus zu schützen und einen Anschlag wie in Solingen besser verhindern zu können. Den eingeschlagenen Lösungsweg halte ich jedoch für grundlegend falsch und unzureichend, um dieses Ziel zu erreichen. Meine umfassende Beurteilung führte zu erheblichen Vorbehalten hinsichtlich der Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit des Vorhabens, insbesondere aus bürger-, verfassungs-, asyl- und unionsrechtlicher Sicht. Als Reaktion auf einen Terroranschlag darf es meiner Auffassung nach niemals zu Maßnahmen kommen, die unsere Grundrechte so massiv einschränken, dass wir damit unsere gesellschaftlichen Freiheiten in die Fesseln legen, in denen der Terrorismus sie gerne sehen würde.
Der erste Entwurf des Maßnahmenpakets war aus dieser Perspektive für mich nicht hinnehmbar. Meine Kritik betraf vor allem die zahlreichen Grundrechtseinschränkungen. Dies machte auch die öffentliche Anhörung deutlich. Der deutlichen Kritik von Expert:innen bin ich dankbar. Ich nehme jedoch zur Kenntnis, dass die zur Abstimmung vorliegenden Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren im Vergleich zu den ursprünglichen Entwürfen merklich verbessert wurden:
Besonders begrüße ich die Beschränkungen der neuen sicherheitspolitischen Befugnisse des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei auf die Verfolgung oder Verhinderung schwerster Straftaten – wie Mord, Totschlag, schwerer Raub oder die Bildung einer terroristischen Vereinigung (§100b Abs. 2 StPO anstelle von § 100a Abs. 2 StPO). Ebenso wird sichergestellt, dass der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) erhebliche Kontrollrechte zugestanden werden, sodass ein bürgerrechtliches Korrektiv bei der Erstellung der Rechtsverordnungen der Bundesregierung gewährleistet ist. Nur wenn es keine datenschutzrechtlichen Bedenken bei der Nutzung biometrischer Erkennungssysteme gibt, darf diese in Einsatz kommen. Ich habe hier großes Vertrauen in die BfDI, Datenschutzverstöße zu verhindern. Ein nachträglicher Abgleich von Internetdaten mit Personen, von denen keine Gefahr ausgeht – etwa Zeugen und Opfer, bei denen kein schutzwürdiges Interesse entgegensteht, sowie ein Abgleich mit in Echtzeit übermittelten Bilddaten bleibt zudem ausgeschlossen.
Wir bekennen uns als Gesellschaft weiter zu einem fairen und funktionierenden europäischen Asylsystem, in dem die Menschenwürde gewahrt bleibt und welches in meinen Augen die zentrale Grundlage für das individuelle Asylrecht bildet. Wir haben klargestellt: Bei Dublin-Fällen darf erst dann ein Leistungsausschluss in Deutschland erfolgen, wenn es den betroffenen Personen tatsächlich möglich ist, in den zuständigen Mitgliedstaat zu gelangen und sie dort auch faktisch Zugang zu Leistungen haben. Wir haben auch klargestellt, dass in den überwiegenden Härtefällen (zum Beispiel bei Kindern) weiterhin Leistungen gewährt werden.
Die Regelungen zum Waffenrecht enthalten für mich fragwürdige bürgerrechtliche Aspekte, wie die anlasslosen Kontrollen innerhalb von Waffen- und Messerverbotszonen, die alle Menschen unter Generalverdacht stellen. Dem gegenüber stehen jedoch weitreichende Reformen, mit denen es zukünftig Verfassungsfeind:innen und Extremist:innen stark erschwert wird, legal in den Besitz von Waffen zu kommen. Daneben erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) endlich die dringend benötigten Voraussetzungen, um noch zielgerichteter gegen die Finanzströme der extremistischen Szene vorzugehen. Dies ist auch vor dem Hintergrund des bedrohlichen Erstarkens der organisierten und gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene, die auch mit einer massiven Gefährdung von Geflüchteten und Asylunterkünften einhergeht, eine wichtige Verbesserung.
In der Gesamtbewertung komme ich daher zu dem Schluss, dass ich dem Gesetzentwurf mit den Verbesserungen durch die parlamentarischen Verhandlungen zustimmen kann. Sollten sich die derzeitigen Bedenken hinsichtlich der rechtmäßigen Umsetzung jedoch erhärten oder weitere Rechtsunsicherheiten eine Veränderung notwendig machen, halte ich eine sofortige Korrektur für unausweichlich. Dies betrifft insbesondere die anstehende Veröffentlichung einer Sicherheitsgesamtrechnung.
18.10.2024