v.l.n.r.: MdB Stefan Schmidt, Wiebke Richter, Frank Reinel, Stefan Christoph

Stefan unterwegs – Wie barrierefrei ist Regensburg beim Tourismus?

Eine mittelalterliche Stadt, Tourismus und Barrierefreiheit – wie gut geht das zusammen?
Diese Fragestellung habe in den vergangenen Tagen zusammen mit unserem OB-Kandidaten Stefan Christoph unter die Lupe genommen und am Beispiel von Regensburg vor Ort erkundet, wie es um das Thema Barrierefreiheit im Tourismus bestellt ist. Hintergrund: Ich habe für unsere Grüne Bundestagsfraktion federführend einen Antrag zur Barrierefreiheit im Tourismus verfasst. In dem Antrag hat die Fraktion zehn Maßnahmen beschlossen, um die Barrierefreiheit im Tourismus zu fördern und Reisen für alle Menschen zu ermöglichen. 
Reisen muss schließlich für alle Menschen möglich sein!

Inklusionshotel „Includio“

In Regensburg gibt es bislang kein Hotel, das eine ganze Gruppe von Menschen im Rollstuhl aufnehmen kann. Die Johanniter stoßen in diese Lücke und errichten in Burgweinting derzeit das Inklusionshotel „Includio“. In dem Hotel soll es laut Regionalvorstand Martin Steinkirchner 84 komplett barrierefreie Zimmer geben, Klingeln, die auch taube Menschen wahrnehmen und eine Wohnraumgestaltung, in der sich auch blinde Menschen trotz der fremden Umgebung zurechtfinden. Auch ein Teil der Arbeitsplätze im Hotel soll von Menschen mit Behinderung übernommen werden. Auch mit Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft, die gute Anbindung des Standorts mit Autobahn und ÖPNV vor der Tür sowie den zahlreichen Konzernen als potentielle Kunden im Umfeld des Hotels haben die Johanniter meines Erachtens hier weitblickend investiert und werten dabei auch den Tourismusstandort Regensburg auf. Denn wirklich barrierefreie Hotels sind noch immer eine Seltenheit, so gibt es auch z.B. in einer Millionenstadt wie München kein vergleichbares Hotel.

Quelle: Johanniter Regionalverband Ostbayern

Die Altstadt von Regensburg

Die Bauarbeiter im Mittelalter haben beim Pflastern natürlich nicht an Menschen im Rollstuhl gedacht. Wie sich bei der Stadterkundung zusammen mit Frank Reinel, dem Behindertenbeauftragten der Stadt Regensburg, unserem OB-Kandidaten Stefan Christoph sowie Wiebke Richter von Phönix e.V. Regensburg gezeigt hat, ist das Pflaster in der Altstadt zwar ein Traum für den Denkmalschutz, aber für Rollstühle ein Ärgernis und ein Hindernis. Auch der Dom samt Domplatte – eine prominente Anlaufstelle für Einheimische und TouristInnen zugleich – ist für Menschen im Rollstuhl eine Katastrophe. Die abgesenkten Bürgersteige müssen Ortsunkundige erst mühsam suchen und die prinzipiell gut gelöste Rampe in den Dom findet man nur, wenn man vorher schon genau weiß, wonach man suchen muss, weil das entsprechende Hinweisschild winzig und unauffällig ist. Die Reihe an Aufgabenstellungen lässt sich fortsetzen: Bürgersteige, die immer schmaler werden, Zebrastreifen, bei denen sich am anderen Ende kein abgesenkter Bordstein befindet und man dann doch gezwungenermaßen wieder auf die Straße ausweichen muss und die Frage, wo eine öffentlich zugängliche, barrierefreie Toilette mit Haltegriffen zu finden ist.
Aber auch bei Hotels, Restaurants und Geschäften fehlt noch häufig das Bewusstsein für Barrierefreiheit. Dabei leben Reinel zufolge alleine in Regensburg rund 24.000 Menschen mit einer Behinderung, dazu kommen TouristInnen mit eingeschränkter Mobilität – touristisch lässt die Welterbestadt hier auch mit Hinblick auf ältere Menschen leider noch viele Chancen und Möglichkeiten ungenutzt. Da passt es leider auch ins Gesamtbild, dass es in ganz Regensburg kein einziges barrierefreies Taxi gibt. Weil es sich dem Vernehmen nach nicht lohnt. Interessanterweise gibt es z.B. in Schwandorf gleich drei barrierefreie Taxis und die scheinen sich auch zu lohnen.

Damit wir uns richtig verstehen: Die Stadt Regensburg macht beim Thema Barrierefreiheit schon viele Dinge sehr gut. Der neue Aufzug in den historischen Reichssaal kostet eine Stange Geld, der Pflasterplan in der Broschüre „Barrierefrei durch Regensburg“ ist innovativ und Vorbild für andere Kommunen und neu gestaltete Straßen wie z.B. die Wahlenstraße machen Menschen mit Handicap das Vorankommen auch leichter. Es bleibt aber noch viel zu tun.

Regensburg Tourismus GmbH

Die Nachfrage nach barrierefreien touristischen Angeboten in Regensburg steigt. Dieser Trend ist für Sabine Thiele von der Regensburg Tourismus GmbH eindeutig. Regensburg hat nach Ansicht von Thiele zwar schier unendliches touristisches Potential, aber echte Teilhabe ist im aktuellen Zustand in der Domstadt für Menschen mit Behinderung aus touristischer Sicht leider noch nicht möglich. Dafür ist das passende Angebot an Hotels oder Restaurants für Menschen mit einer Behinderung einfach noch zu gering. Der wirtschaftliche Druck, etwas verändern zu müssen, ist dabei in Regensburg aber auch nicht sehr hoch. Die Hoteliers bekommen ihre Zimmer auch so voll und die TouristInnen in der Welterbestadt sind insgesamt betrachtet sogar verhältnismäßig jung, da die Mehrzahl der BesucherInnen in Regensburg Geschäftsreisende sind.

Unser Antrag

Hier setzen wir Grüne mit unserem Antrag zum barrierefreien Tourismus an. Die Fraktion hat dazu zehn Maßnahmen beschlossen, um die Barrierefreiheit im Tourismus zu fördern und Reisen für alle Menschen zu ermöglichen. So wollen wir beispielsweise die flächendeckende Barrierefreiheit auf Bahnhöfen und in Zügen beschleunigen und die finanziellen Mittel der bestehenden Bundesförderprogramme zur Barrierereduzierung bei Bedarf aufstocken. Außerdem wollen wir auch private touristische Dienstleister, z.B. Hotels, Gaststätten oder Freizeitparks, dazu verpflichten, Barrierefreiheit schrittweise herzustellen. Denn bisher ist erst ein Bruchteil der touristischen Unternehmen und Angebote barrierefrei, obwohl es heute schon allein in Deutschland mindestens 12,7 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen und hunderttausende Familien mit kleinen Kindern gibt. Wegen unserer alternden Gesellschaft wird die Nachfrage nach barrierefreien touristischen Angeboten in Zukunft noch weiter steigen.

Problematisch sind aber nicht nur die baulichen Barrieren vor Ort, wie Treppen, Badezimmer und Toiletten ohne Haltegriffen oder zu schmale Türen. Das Personal ist meistens nicht auf beeinträchtigte Menschen vorbereitet. Die Angestellten wissen häufig nicht, welche Bedürfnisse diejenigen Menschen haben, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind – vor allem dann, wenn man den Menschen nichts ansieht. Deswegen wollen wir eine Kompetenzstelle Barrierefreiheit im Tourismusbereich schaffen, die einen ständigen Austausch mit Behindertenorganisationen schafft und die touristische Anbieter für den Umgang mit beeinträchtigten Menschen sensibilisieren und fortbilden soll.

Um zu gewährleisten, dass die Barrierefreiheit im Tourismus umgesetzt wird, wollen wir die Verweigerung als Tatbestand der Benachteiligung in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufnehmen.

25.02.2020

 

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