Überlegungen zur Erarbeitung der Nationalen Tourismusstrategie
Überlegungen zur Erarbeitung der Nationalen Tourismusstrategie
- Wie wir den Tourismus in Deutschland zukunftsfähig gestalten -
1. Vision für den Tourismusstandort Deutschland:
Deutschland als Vorreiter im nachhaltigen Tourismus
Die Nationale Tourismusstrategie ist eine Fortführung des gleichnamigen Projekts aus der letzten Legislaturperiode, das seinerzeit jedoch im Wesentlichen als Zustandsbeschrei-bung endete. Die nun zu erarbeitende Nationale Tourismusstrategie soll ihrem Namen gerecht werden und einen strategischen Weg beschreiben, um den Tourismusstandort Deutschland als Vorreiter im nachhaltigen Tourismus zu entwickeln. Klimaneutralität bis 2045, Ressourcenschonung, lokale Wertschöpfung und faire Arbeitsbedingungen sollen die Grundpfeiler des nachhaltigen Tourismus in Deutschland sein. Die innerhalb der Na-tionalen Tourismusstrategie identifizierten Kernthemen Klima-, Natur- und Umweltschutz, Arbeitskräftesicherung, Digitalisierung und wettbewerbsfähiger Tourismus sowie alle dazu ausgewählten Maßnahmen verfolgen das Ziel, den Tourismus in Deutschland ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig zu entwickeln. Damit die Strategie erfolgreich ist und das Ziel erreicht wird, soll der Zwischenstand der Nationalen Tourismusstrategie inkl. der Vision für den Tourismusstandort Deutschland und der Umsetzungsstand der Maßnah-men zu geeigneter Zeit breit gesellschaftlich vorgestellt und diskutiert werden. Eine parla-mentarische Debatte zum Ende der 20. Wahlperiode auf der Basis eines Berichts der Bundesregierung erscheint uns hier als ein geeignetes Mittel.
Die Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der Ziele sollen regelmäßig überprüft, be-wertet und den Abgeordneten im Tourismusausschuss darüber berichtet werden.
2. Internationale Verantwortung des Tourismus wahrnehmen
Auch den Outbound-Tourismus und dessen positive Effekte in den Zielgebieten wollen wir mit der Nationalen Tourismusstrategie strategisch begleiten.
Tourismus ist nahezu überall auf der Welt ein bedeutender Wirtschaftszweig. In jedem dritten Land des globalen Südens ist der Tourismus die größte Quelle für Deviseneinnah-men aus dem Ausland. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn der Touris-mussektor in den Blick genommen wird. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit fördern und den Tourismus zukunftsfähig gestalten. Gleichzeitig sind viele dieser Destinationen vul-nerabler gegenüber den negativen Effekten des Tourismus, vor allem auch in Bezug auf den Klima- und Umweltschutz sowie Menschen- und Kinderrechte. Um die negativen Ef-fekte zu minimieren, übernehmen wir im Sinne der Agenda 2030 zusammen mit der Tou-rismusbranche gesellschaftliche Verantwortung. Dazu wollen wir die Lieferkettenverant-wortung stärken und die Partnerschaft zwischen der Tourismuswirtschaft und staatlicher Entwicklungszusammenarbeit intensivieren. Dabei kann der Tourismus einen starken Bei-trag zu einer langfristigen und nachhaltigen Entwicklung sowie zur Stabilisierung dieser Länder leisten.
3. Nachhaltige Mobilität im Tourismus stärken
Wir wollen individuelle und öffentliche Mobilität verknüpfen und durch neue, flexible An-gebote auch privater Anbieter ergänzen. Zur Stärkung der nachhaltigen Mobilität sowohl bei An- und Abreise als auch während des Urlaubs setzen wir auch auf Reaktivierungen und den Ausbau von Schienenangeboten in touristischen Regionen. Dafür müssen auch diese Angebote ebenso wie der Anschluss von touristischen Regionen an den Fernver-kehr in der Überarbeitung des Deutschlandtakts berücksichtigt werden.
Um nicht nur die An- und Abreise, sondern auch das Mobilitätsverhalten vor Ort nachhal-tiger zu gestalten, möchten wir die Chancen durch neue Mobilitätsformen wahrnehmen, insbesondere im strukturschwachen Raum. Wir unterstützen flächendeckende und rund
um die Uhr verfügbare Möglichkeiten, Sharing-Angebote wahrzunehmen, um die Erreich-barkeit der Urlaubsangebote zu verbessern. Es geht dabei nicht nur um die Stärkung nachhaltiger Mobilität oder um die Sicherung der „letzten Meile“, sondern um den Erhalt und den Ausbau der touristischen Angebote und damit auch um die Stärkung des ländli-chen Raums.
4. Bedarf an Fach- und Arbeitskräften zielgerichtet aus dem In- und Ausland de-cken
Die Tourismusbranche hat einen enormen Bedarf an Arbeits- und Fachkräften. Die Bun-desregierung wird einen besonderen Fokus darauf legen, das Arbeitskräftepotential ge-meinsam mit den Kammern, den Arbeitsagenturen und den Jobcentern weiterhin zu he-ben. Besonderes Augenmerk liegt hier auf zielgenau zugeschnittenen und wertschätzen-den Angeboten in Aus- und Weiterbildung, um den Ein- oder auch Wiedereinstieg in die Tourismusbranche für möglichst viele Menschen zu ermöglichen.
Gleichzeitig wollen wir unternehmenseigene Maßnahmen öffentlich anerkennen, die er-folgreich dazu beitragen, das vorhandene Arbeitskräftepotential zu reaktivieren, neue Mit-arbeitende erfolgreich zu qualifizieren oder Mitarbeitende über viele Jahre im Betrieb zu halten.
Arbeitskräfte aus dem Inland alleine werden das gravierende Personalproblem in der Tou-rismusbranche jedoch nicht lösen. Vielmehr muss auch die erfolgreiche Rekrutierung aus-ländischer Arbeits- und Fachkräfte in den Vordergrund rücken. Bürokratische Hürden bei der Berufsanerkennung und den Sprachnachweisen müssen konsequent abgebaut wer-den. Eine effektive und zügige Visavergabe ist für den Erfolg der Arbeitskräfteanwerbung elementar. Die Visavergabeprozesse an deutschen Auslandsvertretungen müssen ser-viceorientiert, digital und effizient organisiert werden.
5. Digitale Infrastruktur und Kompetenzen im Tourismus stärken
Wir wollen die Kompetenzen im Bereich Digitalisierung stärken. Dabei soll einerseits das Anwendungspotenzial von KI und Robotik für die Tourismusbranche im Fokus stehen. Andererseits soll die mit der Förderung von KI-Kompetenz einhergehende Innovations-kraft des Standorts Deutschland im Hinblick auf die Entwicklungen von KI gestärkt wer-den.
6. Reisen allen Menschen ermöglichen
Reisen hat vielfältige positive Auswirkungen auf Körper und Geist, bildet und schafft kul-turellen Austausch. Deswegen wollen wir das Reisen allen Menschen – unabhängig von Alter, Geldbeutel, Herkunft oder Beeinträchtigung ermöglichen. Gerade für Kinder und Ju-gendliche ist Reisen und gemeinsame Freizeitgestaltung wichtig für die persönliche Ent-wicklung. Deswegen wollen wir die Teilhabe aller Kinder und Jugendlicher an entspre-chenden Angeboten gewährleisten, unabhängig von Herkunft und wirtschaftlicher Situa-tion. Diese Angebote sollen soziale Erfahrungen, politisch-gesellschaftliche Bildung und Naturerleben ermöglichen, sowie Verantwortung und nachhaltiges Reisen fördern. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur außerschulischen Bildung.
Die Veranstalter von Kinder- und Jugendreisen wollen wir unterstützen, indem wir eine langfristige Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in Deutschland erwirken. Dazu arbeitet die Bundesregierung an einer neuen „Nationalen Engagementstrategie“. Darüber hinaus brauchen Kinder und Jugendreisen Orte, zu denen sie reisen können. Daher möchten wir dazu beitragen, Kinder und Jugendbildungsstätten zu erhalten und diese u.a. durch Programme zur energetischen Sanierung, zur Unterstützung bei der Barrierefreiheit oder zum Ausbau der digitalen Infrastruktur nachhaltig aufzustellen.
Wir wollen Reisen allen Menschen ermöglichen. Das heißt auch, ein besonderes Augen-merk auf die speziellen Bedürfnisse für Menschen mit Beeinträchtigungen zu legen. Dazu wollen wir ein Informations- und Zertifizierungssystem betreiben. Ziel ist es, dass
möglichst viele Freizeit- und Tourismusbetriebe den Mehrwert für ihr eigenes Geschäft erkennen und entsprechende Angebote bereitstellen.
7. Stärkung der Tourismuspolitik auf Bundesebene und klare Kompetenzzuwei-sung in den Ministerien
Die Entwicklung der Tourismuswirtschaft in Deutschland ist vornehmlich Ländersache. Die Bundesebene hat in erster Linie die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Tou-rismuswirtschaft so zu gestalten, dass sie sich erfolgreich entwickeln kann. Dazu gehören u.a. gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, eine faire Entlohnung, die Unterstützung der Branche bei der notwendigen ökologischen Transformation, die Entwicklung der tou-ristischen und der Erhalt der vorhandenen (Verkehrs-)Infrastruktur, aber auch die Unter-stützung der Unternehmen bei Digitalisierung und Robotik. Entsprechend ist Tourismus-politik im Bund ein Querschnittsthema, das sich in allen Ressorts wiederfindet. In fast allen Gesetzen sind tourismusrelevante Aspekte enthalten. Am Lenkungskreis zur Nationalen Tourismusstrategie beteiligen sich folgerichtig die Bundesministerien gemeinsam an der Erstellung von Maßnahmenpaketen für eine resiliente, zukunftsfähige Tourismuswirt-schaft. Um die Tourismuspolitik bestmöglich zu gestalten, ist es erforderlich, dass aus der Strategie auch eindeutig hervorgeht, welche Kompetenzen die Behörden und Institutionen auf den unterschiedlichen horizontalen und vertikalen Ebenen haben. Eine übersichtliche und einfache Kompetenzstruktur ist dabei notwendig.
Die Tourismuspolitik ist mit ihren Querschnittsbereichen in den unterschiedlichen Res-sorts beheimatet. Daher müssen die umfangreichen Maßnahmen für eine zukunftsfähige, resiliente Tourismuswirtschaft effizient gebündelt und zusammengeführt werden. Um diese anspruchsvollen Aufgaben erfüllen zu können, muss die zentrale Stelle auch hin-sichtlich ihrer Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung gestärkt werden.
8. Tourismus im Haushalt stärken
Damit das Ansehen des Tourismusstandort Deutschland weiter auf hohem Niveau beste-hen bleibt, ist es notwendig die Zuwendungen des Bundes für das Marketing des Reise-landes Deutschland durch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) auf hohem Niveau zu halten. Die DZT muss mit ihren Marketingmaßnahmen wettbewerbsfähig bleiben. Die Erschließung neuer Quellmärkte und Zielgruppen sowie die verstärkte Nutzung digitaler Medien sind notwendig, damit vor allem der Tourismus in den Regionen seine Wirtschafts-kraft halten oder weiter ausbauen kann. Dies sichert Arbeitsplätze und Infrastruktur vor Ort und schafft attraktive Lebensräume.
Wir setzen uns für eine Dynamisierung der Haushaltsmittel für die DZT ein.
Des Weiteren muss für die Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe ein Untertitel im Ressort des Wirtschaftsministeriums auf hohem Niveau gehalten werden.
9. Eigener Fördertitel für den Tourismus
Tourismusförderung ist momentan über verschiedene Förderprogramme der Ministerien und der Wirtschaft auf allen unterschiedlichen Ebenen möglich. Der bürokratische Auf-wand für die Beantragung der Fördergelder muss reduziert werden. Ein eigener Fördertitel für touristische Projekte oder Investitionen erleichtert es den Akteuren im Tourismus, die dringend benötigten Fördermittel abzurufen.
Stefan Zierke, MdB
Stefan Schmidt, MdB
Nico Tippelt, MdB
Lena Werner, MdB
Karo Otte, MdB
Reginald Hanke, MdB
Rita Hagl-Kehl, MdB
Matthias Gastel, MdB
Daniel Rinkert, MdB
Anja Troff-Schaffarzyk, MdB
Gülistan Yüksel, MdB
(18.7.2023)